postheadericon KZ am Loiblpass: Der Stacheldraht von damals

Ein kleiner Gauner wird aus einem Gefängnis in Frankreich direkt in ein Kärntner Außenlager des Konzentrationslagers Mauthausen gebracht und muss dort unter lebensgefährlichen Bedingungen am Durchbruch des Loiblpass-Tunnels (Firma „Universale Hoch- und Tiefbau AG“) mitarbeiten. Andre Lacaze publizierte 1978 in dem französischen Verlag Juillard das Buch „Le Tunnel“, das in „Argot“, der Sprache der kleinen Gauner, von Aspekten eines KZ handelte, die sonst selten beschrieben werden – über die Schwierigkeit auf einem Brett über einem riesigen Loch zu scheißen z. B., oder wie anstrengend doch diese politischen Gefangenen seien, die auf die aus Gefängnissen importierten Diebe und Betrüger herab schauen.

Dieses äußerst spannende und widerständige, ja sogar humorvolle (!) Buch schenkte mir 1985 in Paris ein Freund mit den Worten: „Ist das nicht die Gegend, aus der du kommst?“ Obwohl ich am Loiblpass aufwuchs, war mir von einem dortigen Außenlager von Mauthausen damals nichts bekannt. Erst viel später wurde „Le Tunnel“ ins Deutsche übersetzt und tauchte im Schaufenster der slowenischen Buchhandlung auf. „Der Tunnel ist keine Biografie“, erklärte mir jetzt der Universitätsprofessor Peter Gstettner in Wien bei der Präsentation seines Buches „Erinnern an das Vergessen. Gedenkstättenpädagogik und Bildungspolitik“ im Republikanischen Club. „Lacaze war ein hoher Widerstandkämpfer in der französischen Resistance und seine Hauptperson Paulo ist aus dem Schicksal von drei verschiedenen Personen zusammen gesetzt.“

Im Club erzählt Peter Gstettner aufschlußreich von den jahrelangen Schwierigkeiten, auch auf der Kärntner Nordseite des Tunnels eine Gedenkstätte zu errichten – auf der slowenischen Südseite sind bis heute Teile des Lagers zu sehen, und es gibt ein Denkmal, ein Skelett, das anklagend eine Hand in den Himmel streckt. Der Wind pfeift dort oben eiskalt durch die
Hochebene, Bündel von rostigem Stacheldraht der Nazis liegen noch im Wald, berichtet Gstettner, der sich fragt, wie man die zur Erinnerung verwenden könnte.

Das Buch „Erinnern an das Vergessen“ ist in einem eigentümlichen pädagogisch-eigenständigen, einem sozusagen persönlich-wissenschaftlichen  Stil mit einem ominösen „Wir“ geschrieben – Schachtelsätze lösen sich automatisch auf, wenn es spannend wird. Besonders gegen Schluß des Buches, in dem Gstettner die Auflösung der „Baustelle des Todes“ schildert, als die PartisanInnen die ins Rosental verfrachteten 950 Häftlinge auf ihrem Todesmarsch befreiten. Gstettner bringt viele für Kärnten unbekannte Fakten und Einzelheiten, auch wenn sie tief im kollektiven Unterbewusstsein (Gstettner: „Unterirdische Erinnerung“, Maja Haderlap: „Unterseite des Landstrichs, seine dunkle Spiegelung“) schlummern. Genau wie in dem im Drava Verlag erschienen Buch „Die Gedenkanlage in Annabichl neu gestalten!“ mit dem gläsernen Eis-Cover der Künstlerin Bella Ban beschriebenen Gedenken an die im Armengrab bestatteten Opfer des NS-Terrors im Klagenfurter Stadtteil Annabichl sollte am Loiblpass dringend eine Gedenkstätte für die getöteten Häftlinge (36 Namen sind bekannt!) errichtet werden.

Peter Gstettner: Erinnern an das Vergessen.
Gedenkstättenpädagogik und Bildungspolitik, Kitab-Verlag 2012

Erschienen im Augustin, 16. 5. – 29. 5. 2012

1 Kommentar to “KZ am Loiblpass: Der Stacheldraht von damals”

  • Michael Culk:

    Sehr geehrte Frau Kellermann,

    am Sonntag hat mir mein Vater ebenfalls ein Exemplar dieses Buches in die Hand gedrückt. Wir haben es aus dem Nachlass des Herrn Emil Smasek (Lj). Es enthält die Widmung: En Souvenir de „notre Tunnel“ 31.XII.1978 Francois
    Jetzt bin ich am Überlegen, in welcher Verbindung die beiden Herrschaften standen? War Francois und auch Hr. Smasek als Zwangsarbeiter inhaftiert? Ich werde mal versuchen zu recherchieren.
    Liebe Grüße, Michael Culk

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