postheadericon Augenzeuginnen, innere Helfer und Anker

Wie Flüchlingskinder Traumata überwinden: Das Betreuungszentrum „Hemayat“ bringt glückliche, stabile Momente. 

Ein Kassiber ist eine verbotene Nachricht, die ein Gefangener nach draußen schmuggelt. „Kassiber“ kommt vom jidischen Wort „kessaw“ für „Geschriebenes“. Für die Kinder-Therapeutin Sonja Brauner sind Kassiber Zettelchen, die ihr Flüchlingskinder mitbringen, auf denen sie quasi Nachrichten und Botschaften senden. Wer erfahren will, wie man Kinder von den Folgen traumatischer Erfahrungen befreien kann, ihnen Unterstützung und Mut zukommen lassen, ist mit dem neuen Buch „Abbilder der Folter. Hemayat: 15 Jahre Arbeit mit traumatisierten Flüchtlingen“ bestens versorgt.

„Über die Themen Kindheit und Folter gleichzeitig zu schreiben, sollte überhaupt nicht möglich sein“, schreibt Brauner, bevor sie auf phantasievolle und gleichzeitig der Realität angepasste therapeutische Methoden eingeht: Einen Notfallkoffer packen, „Sonnentagebuch“ führen, ein „Heimatwurzelprojekt“ mit Collagen, aus dem ein 13jähriges somalisches Mädchen ihr eigenes Buch macht, das sie irgendwann ihrer Oma in Afrika zeigen will – Sinn hinter all diesen spannenden Aktivitäten ist es, Entwicklungsphasen unterstützen, die durch Krisensituationen verzögert wurden, bzw. Kinder zu stabilisieren, bevor mit Traumakonfrontation und der Integration des Traumas in das Leben des Kindes begonnen werden kann. Kunsttherapeutin Anna Rakos beschreibt Gefühlsblockaden, auch von blockierter Freude, und die Arbeit mit Bildern als magischen Objekten und „verkörperten Gestaltungen“. In den Bildern können Anker sichtbar werden, als Ressourcen aus der Vergangenheit, die helfen sich im jetzigen Leben zu verankern. Abschiebungen aller Art stören diese Prozesse gewaltig und „Hemayat“ darf, bedingt durch die hohe Politik, nicht mehr in Traiskirchen arbeiten, trotzdem: Es bleiben glückliche, stabile Momente für den Aufbau der Zukunft der Kinder. Rakos: „Wenn die Klienten das Bedürfnis verspüren, sich aktiv mit der Gestaltung der Zukunft auseinander zu setzen, ist ein Meilenstein in der Therapie erreicht.“

Abbilder der Folter. Hemayat: 15 Jahre Arbeit mit traumatisierten Flüchtlingen, herausgegeben von Siroos Mirzaei und Martin Schenk, mandelbaum verlag 2010

Erschienen im Augustin

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