postheadericon Gunter Damisch: Die Akademie als Misthaufen

molto-brutto-frontSie hörten sich an wie Punks, hatten Proberäume in der Gassergasse, und der damalige Wissenschaftsminister Fischer setzte sich nach der Räumung dafür ein, dass die Kunststudenten ihre Instrumente von der Polizei zurückbekamen: ein Interview mit dem Maler und Bassisten Gunter Damisch und ein sehr häßlicher Rückblick auf die Band „Molto brutto“.

 

Im Linzer Kunstmuseum Lentos sah ich Schallplattencover, die Sie bemalt hatten. Wie kam es dazu?

In der Zeit, in der es unsere Band Molto Brutto gab, von 1979 bis 1983, machten wir Kasetten-Editionen, grafische Etiketten und Aufkleber für die Stadt. Auf dem Wiener Punk Sampler „Die tödliche Dosis“ hatten wir vier Nummern drauf, und für die erste Langspielplatte mit der Ariola zeichneten wir eben gemeinsam ein Plattencover – Gerwald Rockenschaub und unser Sänger Fritz Grohs. Und ein grindiges Innensleeve, handschriftlich, sehr seltsam war das damals. Das Sublabel der Ariola hieß „Schalter“. Ich war Bassist und spielte auch die Orgel. Wir lösten aber oft die Rollen auf, tauschten die Instrumente, weit aufgefächert zwischen wirklichem Können und Dilettantismus. Der Wirr-Sänger Fred Fuchs mischte auch bei Molto Brutto mit und fuhr bei unserer Deutschland-Tournee mit. Wir agierten als Vorgruppe von Rip Rig and Panik. Die Tournee war aber ein ziemlicher Flop, wir spielten z. B. in der Alabama Halle in München auf, aber die Neneh Cherry war hochschwanger und kam gar nicht. Wir spielten, entgegen der Erwartung von Ariola, nicht die Nummern der Platte, sondern agierten frei improvisierend. In Stuttgart haben wir zum Beispiel aus Übermut und Jux eine sehr avantgardistische Interpretation von „Schaffe, schaffe, Häusle baue“ zum Besten gegeben. Das haben die gar nicht lustig gefunden. Das Stuttgart Konzert war ein Debakel.

Und wo kam das mit dem Zeichnen her?

Trotz herben Rückschlägen habe ich mir das Zeichnen nie abgewöhnen lassen und sehr viel Holz- und Linolschnitte gemacht. Da waren sehr fantastische Verarbeitungen meiner Pubertätsnöte drauf. Habe aber auch zu radieren begonnen, mit der Zirkelspitze auf Plexiglas und das dann auf Löschblätter gedruckt. Also möglichst einfache Do-it-Yourself-Sachen. Die Druckfarben für Linolschnitte verwendete ich auch auch für Plexiglas-Radierungen. Meine Eltern arbeiteten als Dentisten beide viel handwerklich. Im Wohnhaus war die Technik und Praxis meines Vaters, meine Mutter ordinierte im Nachbarort. Am Abend ist er drinnen gesessen in der Technik und hat noch mit Gips und Wachs die Prothesen vorbereitet oder die Goldkronen selber gegossen.

Aber wo taucht dann der Punk auf, das klingt alles so harmonisch?

Ich war in dem Sinne nie ein richtiger Punk, wir waren alle in einer jugendlichen Ausbruchssituation aus wahrscheinlich schon sehr bürgerlichen Elternhäusern. Durch dieses frühe Selbst-etwas-machen, hat man natürlich einen Moment der Selbstermächtigung erlebt. In der Kunst sah ich, dass es, wie mir der Joseph Beuys später erklärte, darum geht, dass Kunst von Künden kommt, dass man also eine Ahnung, eine vage Vorstellung ernst nimmt, und sei es auch dilettantisch, im Sinne von die Kunde. Dass man etwas verkündet, was  unbekannt oder wenig ausgesprochen ist. Wir hatten eine Vorläufer Band, die hieß Keli Himbeer, die war noch eher Jazz.  Frank Zappa gefiel uns, der Dichter und Maler Captain Beefheart war ein Wahnsinn – eine Mischung aus direkter Ruppigkeit und Dandyismus. Auf dem ersten Sampler „Die tödliche Dosis“ gab es einen Song: Hier riecht es so nach Leichen, die Leichen sollen sich schleichen, weil mir wird schon ganz schlecht. Damit war dieses graue Lebensverachtende, das man in der Stadt spüren konnte, gemeint.

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Jetzt kommt die Politik ins Spiel…

Mein Gott, wir haben uns ein bissl im Umfeld der besetzten Häuser bewegt. In der  Gassergasse hatten wir unseren Proberaum, die wurde 1983 geräumt. Das war oben am Gürtel, eine ehemalige Molkerei mit sehr vielen Punks. (Liest aus den Schallplatte-Sheets vor:) Bin ich wirklich frei, bin ich wirklich drei, hab ich mein Gehirn im Set, dann schiff ich bloß aus Angst ins Bett. Das war eine sehr kurze Nummer. Eine der wichtigen Einflüsse waren die Residents. Die habe ich jetzt mit meinem Buben wieder einmal gesehen, im Burgtheater. Die Residents haben alles, was Popmusik ist, total verarscht, in Frage gestellt, „The Third Reich’n Roll“, die haben diese Propaganda der Nazis mit den Gehirnwäsche-Strukturen in der Popmusik kurzgeschlossen. Unser Sänger hatte eine starke Tendenz zur Performance. In Berlin haben wir einmal einen müden Soundcheck gemacht, die Bühne war  unter dem Zuschauerraum und der Manager des Clubs erklärte, dass die uns am Abend den Schädel einhauen werden. Wir sahen nach oben und dachten, dass die da mit ihren Bierflaschen stehen und kriegten richtigen Schiß. Und spielten ein fulminantes Konzert. Großer Applaus und der Sänger, der Fritz, ging nicht von der Bühne. Sie richteten blaue Scheinwerfer auf ihn und er machte plötzlich den Peter Alexander: Dankeschön, ihr wart bezaubernd schön. Wirklich viele Punks dabei, die Einstürzenden Neubauten standen ganz vorne.

Ich habe bei „Johannes Paul und die Ewigen Zweiten“ auch Bierflaschen abgekriegt, als einzige Frau auf der Bühne.

Das kann passieren, aber das ist auch mein Problem mit den Punks. Ich schaute mir einmal ein Public Image Limited-Konzert an, aber leider haben die Wiener Punks aus irgendeiner Antipathie heraus dem Bassisten einen Doppler ins Gesicht geworfen, der blutete aus einer  derartigen Platzwunde und das Konzert wurde sofort abgebrochen. Ich dachte mir, oke, aber in der Anarchie ist es ein Problem, wenn die Anarchisten die anderen Anarchisten fertig machen. Das ist irgendwie traurig (lächelt). Das war 1984, 85, (singt von PIL:) This is not a love song! Ich glaube, dass unbewusst doch eine Aufarbeitung dieser starken Restbestände des Faschismus bis hinein in die Biografie einzelner eine Rolle spielte, gerade wenn Selbstverletzung eine Rolle spielte. Es war noch viel von einer engen, auf Bestrafung ausgerichteten, Ideologie zu spüren. Gewalt war ein großes Thema. Mit zehn Jahren kam ich ins  Konvikt und 12-Jährige waren unpackbar mächtig, und wir haben Watschen gekriegt, dass es nur so gekracht hat. Eine gewisse Brutalität im Alltag war noch in viel höherem Ausmaß akzeptiert. Später haben wir blödsinnige Sachen gemacht, Spontandemonstrationen, Rasenfreiheit im Burggarten, die Einsatzpolizei ist gekommen! Wir sind abgewatschelt worden. Der Waluliso lief durch Wien. Wasser, Luft, Licht, Sonne propagierte er – ein träumender Anarchist, der segnete alle.

Wie war es damals auf der Akademie der bildenden Künste?

Zum Teil waren Professoren auf der Akademie, die vom Krieg geprägt waren. Der Wotruba war noch zu spüren, ein Freigeist und ein politischer Mann, und mein Lehrer, Maximilian Melcher, kam durchaus aus irgendso einer frühen HJ-Situation. Im Krieg war er in Russland, hatte viele Jahre Gefangenschaft hinter sich und war ein total Geläuterter. Er erzählte Geschichten aus dem Feld, nicht um zu prahlen, sondern um abschreckende Beispiele zu liefern, auf eine ganz absurde und fantastische Weise. Wo man endgültig das Gefühl hat, jeder, der noch irgendetwas zu verherrlichen hat, einen Heldentod oder so, ist ein Volltrottel! Er vermittelte uns jungen Studenten, sich die Freiheit zu nehmen, als Künstler an einer anderen Gesellschaft mitzuarbeiten.

Was hat Melcher für Kunst gemacht?

Der Melcher hat wenig von seiner Kunst ausgestellt. Mit dem hat man sich zusammensaufen müssen, und erstaunliche Gespräche liefen ab, die alles von einer glatten Scheinmoral vom Tisch gefetzt haben. Sehr viele heute bekannte Künstler verschiedener Generationen bildete er aus – Tone Fink, Meina Schellander und den Schmalix…  „Schellanderische“, hat er allweil geschrien, „was mochst denn?“. Es gab eine ganze Reihe von sehr lässigen AfrikanerInnen. Melcher war an Menschen interessiert, mit einer speziellen kulturellen, gesellschaftlichen, oder sozialen Haltung. Stefan Weber von den Drahdiwaberl… – Melcher hat die Leute zum Studium gebracht. So eine Kunstakademie ist schon ein unterstützender Ort. Der Melcher hat kundgetan, man muss das machen, was man richtig findet, nicht das, was man will, das wäre zu einfach. Das ist für verschiedene Generationen verschieden und man muss später verantworten, was man tut. Melcher meinte, eine Kunstakademie muss wie ein Misthaufen sein, eine gewisse Wärme entwickeln und sie muss soziale Vermischung ermöglichen. Denn es gibt auch die Schulaussteiger. Die Akademie hat diesen Vorteil, dass sie keine Matura als Voraussetzung braucht. Die wilden „Krixi Kraxi“, seine Zeichnungen, die sehr lässig waren, waren oft mehrfach mit „Maximaxi“ gezeichnet, eigentlich ein so expressiv anarchisches Sich-selbst-befragen. Sehr stark versuchte er seine Kriegstrauma-Erfahrungen abzuarbeiten, viel schwarzweiß, sehr grafisch. Es müßte schon längst ein Buch über ihn als Lehrer geben, weil er extrem spannende Künstler heran wachsen ließ.

 

Ersterscheinung im Augustin, Nummer 353, 16. 10. – 29. 10. 2013

 

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