Artikel-Schlagworte: „Kärnten“

postheadericon Unerklärliche Trauerwolke

Sachbuch: Familiäre Befragungen zur NS-„Euthanasie“.

 

Von einer Bekannten habe ich erfahren, dass ihre Schwester jahrelang Therapie brauchte, um herauszufinden, dass ihre Urgroßmutter Opfer der „Euthanasie“ geworden war. Die Oma hatte als Kleinkind den Schock erlebt, plötzlich und völlig ohne Erklärung ihre Mutter zu verlieren. Da diese Oma das Mädchen großzog, übertrug sich der Schock auf das Enkelkind. Ohne Worte, aber mit erhöhter, zu Beginn unerklärlicher Selbstmordgefahr.

Dass es so ein tiefes Schweigen um die Ermordung von „Euthanasie“-Betroffenen in der Nazi-Zeit gibt, hat verschiedene Gründe: Einer kann sein, dass oft einzelne, sehr nahe Verwandte eine Mitschuld an der Einweisung einer Person (gar Bruder, Schwester oder Vater) trugen, die dann in weiterer Folge zur Ermordung führte. Dem jungen Kärntner Politikwissenschaftler Bernhard Gitschtaler ist es nun gelungen, das Thema anders anzugehen: Er befragte unter anderen Neffen und Onkels, also etwas entferntere Verwandte, die zum Teil selbst schon Nachforschungen gestartet hatten – die zwar mit betroffen, aber noch handlungsfähig und neugierig waren.

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postheadericon Täter-Handbuch über den Loibl

Zur Geschichte eines Mauthausen-Außenlagers.

Figuren über Figuren, Menschen über Unmenschen: Lagerältester wurde „der schöne Rudi“, ein „Berufsverbrecher“. „Er übte seinen Beruf unter dem Pseudonym Ludwig Druckner auch nach dem Kriege aus.“ SS-Untersturmfüher Karl Sachse, von den Franzosen „Toutoune“ (Wauwau) genannt, war ein schrecklicher Schläger. Baron Born, ein Großgrundbesitzer aus Trzic, war ein jugoslawischer Jude, der zum Katholizismus übergetreten war. Beamte und technisches Personal am Loiblpaß wohnten in seinen Gebäuden, Baron Born selbst starb im KZ. Wie konnte sich Buch-Autor Janko Tisler bloß alle diese Einzelheiten über alle diese Menschen merken?

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postheadericon Maghrebinischer Flüchtling statt Sehnsuchtsreise

Wie eine Privatperson dem Staat die Flüchtlingsunterstützung abnimmt: Die schöne Stadt Villach verfügt über tschetschenische Internetcafes, MigrantInnenberatungsstellen auch für Roma, die als Galerie dienen, und tolle Ausstellungs- und Konzert-Orte wie den „Kulturhofkeller“. Aber ziemlich dringend fehlt es an TherapeutInnen für Trauma-Schäden und – an einer Straßenzeitung.

Mostafa-GMaurer-4„Bei mir darf er ja spinnen“, sagt B. im Kulturhofkeller in Villach und deutet mit der Hand auf M., der freundlich lächelt. „Und das nutzt er weidlich aus.“ Die beiden wirken wie ein altes Ehepaar, was sie aber nicht sind, sie leben bloß seit Jahren in einer Art Wohngemeinschaft zusammen und kennen sich genau. „Vor der Saualm war M. in einer noch viel grauslicheren Einrichtung, einer Vorzeigeinstitution für Flüchtlinge im negativen Sinn. Die mittlerweile gesperrt ist.“ B. wirkt ein bißchen müde und ausgebrannt, aber immer noch zäh und entschlossen. „In dem Heim gab es immer Brösel. Und keine Deeskalations-Maßnahmen. Die sitzen da aufeinander, die ganzen Flüchtlinge, mit ihren schlimmen Erfahrungen gemeinsam eingepfercht, ohne Perspektive. Es war urheiß und einige tranken in dieser nervenaufreibenden Situation auch noch Alkohol. Auf jeden Fall kriegte M. einen Schlag ins Gesicht und es kam zu einem Raufhandel. Dann hat man ihn und einen zweiten Araber auf die Saualm in die Sonderanstalt für straffällige Asylwerber hinauf geschossen“, erzählt B. weiter. „Obwohl er angegriffen worden war, ist er letztendlich als Einziger sitzen gegangen. Unter der Devise, er würde ins Krankenhaus kommen, brachte man ihn in einer Nacht-und-Nebel Aktion auf die Saualm hinauf.“

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