Artikel-Schlagworte: „Flüchtlinge“

postheadericon Ein Riss durch die Welt

Ausstellung: Malerei von Georg Eisler.

Im Alter von sechs Jahren beobachtete Georg Eisler vom Fenster aus, wie im Zuge der Februarkämpfe 1934 ein Uniformierter einen bereits Verletzten auf den Kopf schlug. Ein Menschenzug folgte den beiden auf der Wiener Vorgartenstraße: „Zum ersten Mal merkte ich, wie das bei Brecht heißt, dass ein Riss durch die Welt geht, ich habe zwanzig Jahre später ein großes Ölbild gemalt, wo ich versuchte diesen Kindheitseindruck in eine etwas festere Form zu bringen“, schrieb Eisler in sein Tagebuch. Georg Eisler flüchtete mit seiner Mutter, der Musikerin und Kommunistin Charlotte Demant, die selbst 1914 vor den Russen aus Czernowitz geflüchtet war, vor den österreichischen Faschisten nach England.

Georg Eisler – Straße mit Laufenden
V 1969 Georg und Alice Eisler – Fonds für bildende Künstler und Komponisten, Wien (c) Dominik Buda, Belvedere, Wien

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postheadericon Innere Bilder von Shanghai

Ein Besuch in der Ausstellung „Wiener in China“ mit Herrn K., der in Shanghai geboren wurde und bei seiner Rückkehr nach Wien mit einem Pferdestall vorliebnehmen musste.

In der Eingangshalle des Jüdischen Museums Wien treffen wir auf die Vermittlerin Hannah Landsmann, die gleich durch die Ausstellung „Wiener in China“ führen wird. Sie schlägt die Hände vor das Gesicht, als sie das Plastiksackerl sieht, in dem Herr K. Briefe aus und nach Shanghai mitgebracht hat – Dokumente seiner Familie. Er selbst ist 1942 in Shanghai geboren und hat allein Kindererinnerungen an diesen Ort. Es hat sich in seinem Leben bisher keine Gelegenheit geboten, Shanghai wieder zu besuchen. Vor dem chinesischen Fahrrad am Eingang der Ausstellung bleibt K. lange stehen: „Es gab Rikschas als Transportmittel für Menschen. Bei Hochwasser in den Straßen, welches öfter vorkam, sind diese Kulis bis zu den Knien im Wasser gestanden, gerade das man nicht im Wasser gesessen hat. Die Fahrräder dienten zum Gütertransport.“ Eigentlich wollte er den Besuch auf coronafreie Zeiten verschieben. Nun ist er doch im Museum. Seine Tante eröffnete in Shanghai eine Konditorei. Die Großeltern Gerstl waren mit vier Kindern vor den Nazis geflüchtet. „Das ist der Bund!“, ruft Herr K. und läuft zu dem langgestreckten Foto, das die Promenade am Ufer des Flusses Huangpu Jiang zeigt. Nach langem stillen Schauen: „Die Japaner planten schon Gaskammern zu bauen. Wenn die japanische Besetzung Shanghais länger gedauert hätte, wären wir dort umgebracht worden.“

Shanghai, ca 1939 (c) Jüdisches Museum Wien

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postheadericon „Ich wollte nur ein tapferes Mädchen sein“

Erika Freeman. Mit zwölf Jahren floh sie alleine nach New York, der Vater war im KZ Theresienstadt, die Mutter als U-Boot im Wiener Philipphof gegenüber der Albertina versteckt. Derzeit lebt und arbeitet die 93-jährige Psychoanalytikerin in Wien. Wir haben sie zum Gespräch über die Couch, das Selbst und den Schatz echter Liebe getroffen.

Wie würden Sie jemanden beschreiben, was man in der Psychoanalyse macht?

Eine Person redet, die andere hört hoffentlich aufmerksam zu. Man soll sich die Seele reinreden, wenn man kann. Das ist sehr schwer, weil die meisten Leute, die eine schöne Seele haben, denken, dass sie nichts wert seien. Dabei sind diese Leute viel mehr wert als solche mit einer schlechten Seele, wie unser „Trampf“, der meint, er sei der Größte und der Beste. Es gibt ein schottisches Wort für ihn, hundert Jahre alt: cock wombler. Trumps Mutter kommt aus Schottland. Seine Mutter sagte einmal zur New York Times, der Fred, also der Vater, mag den Donald nicht. Das ist so traurig. Ich habe Trumps erste Frau gekannt, sie kommt aus der Tschechoslowakei. Sie sagte zu mir, Amerika sei ein herrliches Land, wenn man viel arbeitet, kann jeder etwas aus sich selbst machen. Ich antwortete, du hast Recht, ich habe aber nicht gesagt, dass es eine große Hilfe ist, mit einem Millionär verheiratet zu sein (lacht).

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postheadericon Vom Schmerz leben

Das Festival „Alarm“ thematisierte. wie schwer es ist, das Elend Geflüchteter in Worte zu fassen.

 

Während das Flüchtlingsrettungsschiff Sea Eye in Rostock in der Werft restauriert wird, brennen örtliche Flüchtlingsheime. Das war ein Grund für den Rostocker Musiker Johann Pätzold, selbst an Bord der Sea Eye zu gehen. Pätzold ist zur Podiumsdiskussion eingeladen. In dem Areal der Kuratorinnen Zahra Mani und Karin Schorm im kroatischen Hrelji bei Rovinj findet das internationale Festival Alarm statt. Ärzte ohne Grenzen haben seit dem Jahr 2016 über 30.000 Flüchtlingen das Leben gerettet. Dieser Tage ist ihr Flüchtlingsschiff, die Aquarius 2, dabei, die Flagge Panamas, unter der sie fährt, zu verlieren.

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postheadericon Alle Kinder malen gleich. Auf der ganzen Welt.

Strahlenfiguren, Kammfiguren, Kreise mit Kernen. Warum man kleine Kinder beim Malen ihrer Ringel und Punkte nicht stören sollte.

Er malte mit Kindern im Dschungel und in der Wüste, in Neuguinea und Guatemala, in Mauretanien oder Äthiopien – alles, um seine Bild-Schöpfungs-These zu beweisen. Seine großmütige, großherzige These in einer Welt, in der viel Dünkel vorherrscht, beinhaltete, das alle Kinder auf der ganzen Welt gleich sind und mit ihren ersten Zeichenversuchen sehr ähnliche Figuren abbilden, denen jedes Mal eine komplett ähnliche Entwicklung folgt, falls keiner stört.

Beginnend mit Kreisen und Kringeln wird die allererste Spur auf das Papier gelegt. Nach Arno Stern eine Erinnerung an den embryonalen Zustand, an Bauch und Geburt. Jedes Kind ist von einer Mutter geboren, musste durch den Geburtskanal an das Licht der Welt. Man soll und darf diese ersten Bilder nicht interpretieren, meinte der eigenwillige Stern, nicht sagen, aha, eine Sonne, ein Mond, sehr schön. Oder: Was ist das? Was soll das sein? Man soll das Kind einfach machen lassen, ohne Beeinflussung, denn sonst erzeuge man ein braves Kind, das gehorsam um Aufmerksamkeit heische, und zerstöre die orginale Bildspur des Kindes.

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