postheadericon EVIAN 38 und die Folgen

Exilforschung trifft Flüchtlingsbetreuung

 

„Wir hatten hier eine Pionier-Tagung, schwer arbeitende Flüchtlingsbetreuerinnen tauschten sich mit Exilforscherinnen aus“, sagt Siglinde Bolbecher von der Theodor Kramar Gesellschaft am Schluß. „Viele Länder führten wegen der jüdischen Flüchtlinge im Zweiten Weltkrieg erstmalig die Visumspflicht ein. So erhielten für Großbritannien nur wenige Fachkräfte und jüdische Kinder die Einreiseerlaubnis, alle anderen nur, wenn sie als Dienstboten angefordert wurden“, sagte sie am Anfang. „Die Konferenz von Evian 1938 begründete die moderne Flüchtlingspolitik!“ Bolbecher ist dagegen, dass sich die Exilforschung momentan Begriffe der Migrationsforschung aneigne und warnt vor Unschärfe, Antisemitismus „in einer antipolitischen Rassismus-Debatte versinken zu lassen!“.

Ihre Kollegin Gabriele Anderl hingegen, die ein fulminantes Referat über die Klassenunterschiede in der jüdischen Bevölkerung und den Vernichtungs-Methoden je nach Gelderpressungs-Möglichkeiten durch Adolf Eichmann hält, findet, dass Bezüge zur Flüchtlingspolitik heute hergestellt werden müssen. Um die tiefe Verstrickung der ÖsterreicherInnen und die Überschreitung der Menschenrechte zu zeigen, aber auch damit der Satz „Nie mehr wieder“ der Gedenkveranstaltungen nicht zu „gebetsmühlartiger Inhaltsleere verkommt!“. Bolbecher „schämt sich furchtbar“ für die Asylpolitik: „Wir haben in diesem Lande keine Verfassungsdebatte nach der NS-Verfassung gehabt und deswegen sind die Menschenrechte nicht drin.“

Hemayat-Obfrau Friedrun Huemer spricht von „zwei Elenden“, dem von damals und dem von heute. Was aber das Polizeibefugnisgesetz von 1938 und die NS-Normen im Ausländerbereich mit den heutigen Flüchtlingen zu tun haben, wird in einem eigenen Interview mit dem Juristen Joachim Stern genauer zu erläutern sein. Demnächst im Augustin.

 

Erschienen im Augustin 06/2011

1 Kommentar to “EVIAN 38 und die Folgen”

  • Die breite Öffentlichkeit hat leider schon vor langer Zeit vergessen, dass die Staaten um Deutschland in den 30ger Jahren durch, im Prinzip, unterlassene Hilfeleistung sich am Massenmord an den Juden schuldig gemacht haben. Die Abschottung der EU ist heute nichts anderes. Wir sind zwar nicht die Bösen aber eben auch nicht die Guten.

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