postheadericon Probleme mit Arendt

Verein „Gedenkdienst“ tagte zum Eichmann-Prozess.

Was bei der ambitionierten, internationalen Tagung „Eichmann nach Jerusalem. Hintergründe, Be-deutungen und Folgen des Prozesses“ u.a. des Vereins „Gedenkdienst“ auffiel, waren die Feindseligkeiten gegen die Philosphin Hannah Arendt, die mit ihrem Bericht über Eichmann im „New Yorker“ das weltweite Nachdenken über Nationalsozialismus und Shoah stark beeinflussen konnte. Arendt erlag dem Missverständnis, dass sie sich als Journalistin ähnlich einer Wissenschaftlerin aus ihrer persönlichen Betroffenheit heraus halten sollte.

Es scheint leichter, sich über Arendts angeblich mangelndes Mitleid gegenüber den jüdischen Opfern zu ereifern, als über Adolf Eichmanns reale Taten. Denn es ist äußerst schwierig, sich das Grauen der Menschen, die in Folge von Eichmanns Akribie, Obsession und verbissener Mord-Liebe bzw. seinem zwischen Angeberei und Selbstauflösung schwankenden, völlig kaputten Selbst, ermordet wurden, auch nur annähernd vorzustellen! Besonders weh tut es aber, wenn die Vorwürfe von Nachkommen von Shoah-Opfern kommen, die klarerweise einen „riesigen Schaden“ durch die Vernichtung ihrer eigenen, als „Rasse“ oder „Volk“ titulierten, sozialen oder religiösen Gemeinschaft davon trugen und damit irgendwie klar kommen müssen und weiter leben.

Der Platz reicht leider nicht aus, um die Folgen des Eichmann Prozesses auf die kritikwürdige Rechtssprechung und die „tickende Verjährungs-Uhr“ in Österreich und Deutschland zu skizzieren, die man in Büchern und Aufsätzen nachlesen kann. In Israel konzentrierte sich der Diskurs zuerst auf eine angebliche Mitschuld der Überlebenden und warum sie sich nicht gewehrt hätten, wie Hanna Yablonka ausführte, bevor die Überlebenden auch als Opfer angenommen wurden. Anzumerken ist, dass die Folgen des Ersten Weltkrieges auf eine ganze Soldaten-Generation und deren Einfluss auf ihre Kinder dringend genauer untersucht werden muss, denn Adolf Hitler bezeichnete z. B. die Ereignisse des Ersten Weltkrieges als seine schlimmsten und gefühlintensivsten Erlebnisse, die er dringend wiederholen wollte. Wo kamen denn die 250.000 „Kern-Täter“, die unzähligen „Eichmann-Männer“ her?! Eine ganze Söhne-Generation, deren kaputte Väter verstummten und mit ihren Todeserlebnissen alleine blieben, stürzte sich in den Zweiten Weltkrieg.

Ersterscheinung im Augustin 341, 3. 4. – 16. 4. 2013

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