„Schlepper-Flüchtlinge“: Kriminelle Armutsvereinigungen
„Triste finanzielle Lage“ als Untersuchungshaftsgrund?
Wer arm ist, muss anscheinend automatisch kriminell werden, zumindest ergibt sich das aus der Begründung für die weitere Untersuchungshaft von zweien der als „Schlepper“ verhafteten Flüchtlinge im Umfeld der Wiener Votivkirche. Es wird sogar eine kriminelle Armutsvereinigung angenommen: „Gerade die gewerbsmäßige Tatbegehung aller Beteiligten, somit auch des Beschwerdeführers, ist aus der, den vorliegenden Ermittlungsergebnissen entnehmbaren durchorganisierten Tatbegehung als Mitglied einer nicht nur in Österreich agierenden kriminellen Vereinigung, im Zusammenhalt mit dem geringfügigen Einkommen des Beschuldigten, nämlich 39 Euro monatlich, die er als Asylwerber seit ca. Februar 2013 erhielt (vgl AS 9 in ON 72), mit der für einen dringenden Tatverdacht erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit abzuleiten.“ Steht so wortwörtlich im Haftbeschluss.
Wer Geld hat, muss nicht kriminell werden, Arme hingegen schon? Wären dann nicht noch Tausende anderer Flüchtlinge oder sonstiger armer Menschen der Kriminalität verdächtig? Warum soll gerade dieser eine wegen seinen nur 39 Euro, von denen man ja wirklich zugegebenermaßen schlecht leben kann, kriminell geworden sein? Und wieso erhalten Flüchtlinge nicht mehr staatliche Unterstützung, wenn es diesen Automatismus gäbe?Ganz klar ist es für den geneigten Laien nach der Lektüre der österreichischen Gesetze nicht, ob nun zum Delikt der „Schlepperei“ eigentlich eine Staatsgrenze dazu gehört oder ob man quasi im flachen Land, egal wo, auch Flüchtlinge „schleppen“ kann. „Rechtswidrige Einreise oder Durchreise bzw. illegaler Aufenthalt“ (Verwaltungsstrafe 1000 bis 5000 Euro) heißt es im Gesetz, was bedeutet, dass „Schlepperei“ quasi überall passieren kann. Ohne Grenzüberschreitung. Als Verschärfung gilt „sich durch Entgelt unrechtmäßig zu bereichern“, wobei nach Paragraf 115 „nicht bloß ein geringfügiges Entgelt“ gemeint ist. Laut Oberlandesgericht Wien kann der Flüchtling, der die 100 bzw. 200 Euro-Schlepperei (rückwirkend seit dem Jahr 2000!) bestreitet, wegen „seiner tristen finanziellen Lage“ nicht auf freien Fuß gesetzt werden. Bei der Haftprüfung am 4. November war der polizeiliche Abschlußbericht noch immer nicht da und die beiden Flüchtlinge laut Rechtsanwalt Binder „etwas weinerlich. Sie verstehen eben nicht, warum sie im Gefängnis sind.“ Nächste Haftprüfung am 31. Dezember.
Erschienen im Augustin, 30. 10. – 12. 11. 2013