postheadericon In den Himmel sehen

Enkel bringt Armin Freudmanns Gedichte zum Leuchten.

Armin FreudmannDurch Sprache eine gewisse Distanzierung erreichen und sich doch gleichzeitig einlassen auf die eigenen Gefühle: Diese Schwierigkeit drücken die Gedichte von Armin Freudmann aus, die er zwei Jahre lang im Konzentrationslager schrieb. Erst weigerte er sich noch. In dem Gedicht „Das Lagertagebuch“ meint Freudmann, dass der Vater dieses Tagebuchs „das Sinnen“ sei. „Seine Mutter wäre das Sehnen. Ich könnte es schreiben mit Tränen – es wäre ein Zeitvertreib.“ Seine Gedichte reimen sich vornehm und elegant, sind von zeitloser Ironie und zeigen die jüdisch-bildungsbürgerliche Erziehung des Kommunisten. „Doch müsst ich, mein Kind, dich verbergen, (…) weil Schreiben verboten mir ist. Sie würden dich finden und töten. Und auch ich würde umgebracht.“ „Mein Großvater gebar Gedichte“, sagte Eduard Freudmann, der Enkel, bei seiner Wiener Performance „The White Elephant Archive“ im Theater Hamakom. Seine Oma stellte ein Familien-Archiv zusammen, das in einer Kiste über seinen Onkel Gottfried zu ihm kam und Edi zehn Jahre lang obsessiv beschäftigte. Immer wieder entwarf der Künstler Projekte dazu, zweifelte aber und gab sie wieder auf. Nun fand er endlich eine Form, auf ganz eigene Weise für die dritte Generation nach der Shoah, einige der Ambivalenzen seiner Familiengeschichte darzustellen. Wie den Bruch, dass die Großmutter, eine Kommunistin nach Sowjetunion-Muster, aus Ärger über ihren Maoisten-Sohn, der in einem Flugblatt die Sowjetunion mit Hitler verglich, nicht mehr ihre eigenen Erinnerungen aufschrieb.

Das Leben kam ihr dazwischen, und so ist nur wenig darüber bekannt, wie sie selbst sieben Jahre lang in einem Dorf die Shoah überlebte. Durch sieben Lager schmuggelte Freudmann seine Gedichte, den Todesmarsch nach Buchenwald entlang, zweimal rekonstruierte er sie nach Verlust. Zur US-Befreiung von Buchenwald schrieb er: „Der Himmel blau. Die Luft so lau und würzig. Man sang und schrie. Jedoch für mich war’s still. Ich hatte schon zwei Tage nichts gegessen, (…) Ich bin bloß auf der Bank vorm Block gesessen. Im Sonnenschein und in den Himmel sehen. (…) Nur sitzen dürfen, sinnen, weinen, schweigen. Nicht bangen müssen vor entmenschter Wut.“ Er sieht ein rotes Tuch in der Luft flattern, Symbol für Blut und Freiheit gleichzeitig. „Die Brust war mir so weit und eng von Sehnen.“

Ersterscheinung im Augustin 24. 6. bis 7. 7. 2015

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