Artikel-Schlagworte: „Armut“

postheadericon Wer aufmuckt, hat verloren

Die Anarchie scheint dahin, ebenso wie das Lustige, Rebellische, Revolutionäre – der Flohmarkt ist kein Volksfest mehr. Auf dem Wiener Naschmarkt wird mit Polizei und Marktamtangestellten schon um zwei Uhr ein Frühschluss durchgesetzt – mit gravierenden Folgen. Ein Besuch.

Die Leichtigkeit ist dahin. Kaum haben die Standler aufgebaut, könnten sie schon wieder abbauen. Jedes Glas einzeln in Zeitungspapier einwickeln. „Es gibt ein Gesetz“, sagt ein rotgewandeter Markt-Beamter. „Eine Verordnung“, verbessert ein anderer. „Das hat der Gemeinderat so beschlossen.“ Das Marktamt beruft sich auf die Politiker, Besucher berufen sich auf die Menschlichkeit und das Gemeinschaftsgefühl. Die gefühlte Gesellschaft, das Gemeinsame. Doch das Lustige, Rebellische, Revolutionäre, das scheint dahin.

„Ich habe die Baupläne gesehen“, behauptet ein flotter Kaffeehauspächter, der aufhören wird. „Die wollen auf längere Sicht den Restaurantnaschmarkt ausbauen!“ Auf Nachfrage meint er, dass das Parkplatz-Areal, auf dem der Flohmarkt stattfindet, mehreren Bezirken gehört, und er die Bebauungspläne auf einer Internet-Seite des Bezirks Margareten gefunden habe. Und weg ist er. Zwei kleine Braune und einen frischen Aschenbecher bringen.

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postheadericon „Die Pflicht der öffentlichen Gewalten“

Wiener Ringstraßen-Ausstellung zu Pracht und Elend: Für in Wien nicht heimatberechtigte Personen war im ausgehenden 19. Jahrhundert die öffentliche Armenfürsorge nicht zuständig. Das traf auf siebzig Prozent der über 70.000 in Wien lebenden Juden zu, die nach der Gewährung der Freizügigkeit im Jahre 1867 aus allen Teilen der Monarchie als Arbeitssuchende nach Wien gezogen waren. Die Wiener Bevölkerung hatte sich in einem halben Jahrhundert vervierfacht. Alle diese Menschen waren auf private Wohltätigkeit angewiesen, Bedürftigen sollten aber „die demütigenden Almosen“ erspart bleiben, „Hilfe zur Selbsthilfe“ war das Motto, ist in der Ausstellung „Ringstraße. Ein jüdischer Boulevard“ im Wiener jüdischen Museum zu lesen.

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postheadericon „Ich kenne sehr viel arme Kinder!“

Muttersprachliches Kindertheater.

„Wo ist meine Frau? Schläft sie noch?“ „Warum schreist du so?“ „Nur ich muss in diesem Haus arbeiten!“ „Warum streitet ihr immer? Ihr müsst nicht streiten, meine liebe Schwiegertochter.“ Nach jedem Satz folgt gleich die Übersetzung auf Romanes bzw. in andere Sprachen – live auf der Bühne. Die Kinder der Volksschule Johnstraße lernen so einiges im Muttersprachen-Unterricht, z. B. Simultandolmetsch. Die „liebe Schwiegertochter“, kommt noch mehrmals vor – sehr pädagogisch das Stück. Die Erwachsenen lachen. Sieben Reihen voller Eltern und Handykameras, vorne die Kinder aufgeregt auf blauen Turnmatten. Kleine Sonnen picken auf den Fenstern des Turnsaales.

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postheadericon Kaleidoskop des jüdischen Proletariats

Neues Sachbuch zu Ottakring und Hernals.

Das neu erschienene Buch über das jüdische Leben in der Wiener Vorstadt ist erstaunlich. Akribisch und fleißig haben die beiden Autorinnen wie in einem Kaleidoskop tausende bisher großteils unbekannte Einzelheiten, Daten und Fakten ausgeforscht und zusammengetragen. Wer mit jüdischen Menschen bisher hauptsächlich das Bürgertum verband, wird überrascht sein, wie viele jüdische Kommunist_innen und Sozialist_innen eifrig versuchten, die Lebensumstände in ihrem Arbeiterbezirk zu verändern und ihr Umfeld bzw. die Wiener Gesellschaft hin zum Positiven zu beeinflussen.

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postheadericon „Schlepper-Flüchtlinge“: Kriminelle Armutsvereinigungen

„Triste finanzielle Lage“ als Untersuchungshaftsgrund?

Wer arm ist, muss anscheinend automatisch kriminell werden, zumindest ergibt sich das aus der Begründung für die weitere Untersuchungshaft von zweien der als „Schlepper“ verhafteten Flüchtlinge im Umfeld der Wiener Votivkirche. Es wird sogar eine kriminelle Armutsvereinigung angenommen: „Gerade die gewerbsmäßige Tatbegehung aller Beteiligten, somit auch des Beschwerdeführers, ist aus der, den vorliegenden Ermittlungsergebnissen entnehmbaren durchorganisierten Tatbegehung als Mitglied einer nicht nur in Österreich agierenden kriminellen Vereinigung, im Zusammenhalt mit dem geringfügigen Einkommen des Beschuldigten, nämlich 39 Euro monatlich, die er als Asylwerber seit ca. Februar 2013 erhielt (vgl AS 9 in ON 72), mit der für einen dringenden Tatverdacht erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit abzuleiten.“ Steht so wortwörtlich im Haftbeschluss.

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