postheadericon Köb und Schafhausen: Urbanität braucht Brachland

Stadtentwicklungs-Flächen und Kunst – am Beispiel Hauptbahnhof. Der eine fliegt gerade nach Mexiko, der andere eröffnet die Ausstellung „Das Wunder des Lebens“: Die beiden Museumsdirektoren Edelbert Köb (Ex-MUMOK) und Nicolaus Schafhausen (Kunsthalle Wien) im Interview über Wiener Stadtplanung und was Museumsdirektor_innen so alles im öffentlichen Raum suchen würden. Köb: „Da verlangen Sie ja Kulturpolitik!“

Sollte ein Museumsdirektor nicht auch hinaus aus seinem Museum und in die Stadt hinein gehen?

Köb: Früher hatten wir schlafende Museen, heute an die Gesellschaft angebundene. Dem  Museum als wissenschaftlicher Einrichtung, in der der Subjektivismus, der in einer Kunsthalle angebracht ist, wenig Platz hat, stellen sich aber derzeit dieselben Fragen wie der Kunsthalle. Schon in der Secession, einer Kunsthalle, wurde der Smoking zu meiner Berufskleidung, weil das Haus renoviert werden musste und ich mich plötzlich in der „Reception-Line“ der Sponsorendinner fand. Zu Kunst im öffentlichen Raum habe ich eher ein kritisches Verhältnis, denn unsere übermöblierten Städte haben eigentlich kaum mehr unmöblierte Räume für Kunst, wie ich als langjähriger Beirat des KÖR Wien (Kunst im öffentlichen Raum) festgestellt habe. Zuletzt versuchte noch Peter Noever, von Donald Judd bis Philipp Johnson große internationale Kunst, die es eigentlich überall sonst gibt, in die Stadt hereinzustellen.

Schafhausen: Die Popularisierung, die Mainstreamisierung von Gegenwartskunst hat durchaus auch positive Effekte. Ich schätze doch eher unangepasste, rockige Personen als Direktoren. Kunst im öffentlichen Raum wird aber oft als Gentrifizierungshilfe für große, neue Investoren definiert. Wie soll ich meine Stadt schöner, freundlicher, dekorativer, „geschmeidiger“ machen? Es gibt allerdings aber tatsächlich zu wenig temporäre Interventionen, die den öffentlichen Raum als Bühne bespielen. Gordon Matta Clark schrieb mit seinem Baustellen-Guckloch auf das Centre Pompidou durchaus Kunstgeschichte und beeinflusste andere Künstler. Das war eine subtile, indirekte Produktion im teilprivatisierten, nicht mehr öffentlichen Raum.

Nicolaus Schafhausen - Edelbert Köb (Foto: Mehmet Emir)

Nicolaus Schafhausen – Edelbert Köb (Foto: Mehmet Emir)

Als der Südbahnhof abgerissen wurde, meinten Sie, Herr Köb, dass die Südbahnhof-Halle schön gewesen wäre, für die großen Josef-Beuys-Arbeiten, die Sie nirgendwo unterbringen konnten. Finden Sie, dass die Änderungen um den neuen Hauptbahnhof, das Arsenal und das 21-er Haus geglückt sind? 

Köb: Die Stadt Wien fragt sich leider genausowenig, wohin es langfristig mit der Stadt geht, wie unser Kulturministerium, wohin es mit unserem Museen-Konglomerat gehen sollte. Es gibt weder einen Museums- noch Stadt-Entwicklungsplan, sondern man definierte Entwicklungsgebiete und setzte überall tüchtige Manager hin, die sich gegenseitig nicht bekriegen, sondern nur „in Wettbewerb stehen“ (lacht)! Ein Entwicklungsgebiet war der Südbahnhof, andere die Donau-Platte, der Laerberg… Jeder Manager schaut, dass er dem anderen sozusagen die Bank wegschnappt, die dort ein Bankenzentrum bauen will, oder  andere Investoren. Es geht um Konkurrenz. Schließlich ist es ja eine rote Stadt, ist doch klar (lacht): Hier muss Wettbewerb herrschen. Man holt tüchtige Manager, wie in die  Museen auch, und die sehen sich gegenseitig im Wettbewerb, was total eigenartig ist in einem „Konzern“, der einem Besitzer gehört. Die Politik hat die Entwicklung letztlich aus der Hand gegeben.

Schafhausen: Grundsätzlich ist das ja etwas Positives, wenn sich eine Stadt mit einer großen Innenstadtfläche beschäftigt. Durch die markante Insellage wurde das Zentrum baulich vorher sehr deutlich von den ärmeren Stadtteilen getrennt. Teilweise sind die neu bebauten Bahnhofs-Gebiete sogar gelungen. Das Risiko ist aber sehr groß, dass sich der engere Bereich gegenüber dem 21er Haus und dem ehemaligen Gleiskörper und Industrie-Areal zu einer neuen Barriere zwischen den inneren und äußeren Bezirken entwickelt. Negativbeispiele gibt es genügend, den Berliner Potsdamer Platz zum Beispiel…

Ich kenne den kritischen Film von Hito Steyerl…

Schafhausen: Genau. Der Potsdamer Platz wird hauptsächlich touristisch genutzt, kaum von den Bewohnern Berlins.

Wenn man hinten durch den zehnten Bezirk geht, sind die ganzen  Straßen  plötzlich am Ende offen. Der Eingang des „Shopping-Center-Bahnhofes“ wird aber Richtung Innenstadt weisen.

Schafhausen: Wenn die Erste Bank ihren Hochhaus-Turm eröffnet hat, der transparent und zum Durchlaufen angelegt ist, ist dennoch die Frage, ob das demnächst privatisierter Raum wird? Ob er von Security überwacht wird, oder zum Flanieren einlädt? Es ist fast schon ein Klischee, aber Urbanität kann man nicht einfach planen. Oder, besser gesagt, Urbanität kann man nur planen, indem man auch Brachflächen lässt, die sich die Menschen nach ihren Vorstellungen aneignen und bevölkern können. Es gibt diesen wunderbaren Ausdruck „Instant Gratification“, das bedeutet, dass man den Bürger_innen erstmal eine perfekte neue Stadt verspricht, mit allem, was man angeblich braucht: Shopping Malls, Banken, Fitness-Center etc. Es handelt sich aber allzu oft nur um ein Versprechen, das nicht eingelöst wird.

So wie Instant Coffee…

Köb: Die Platte ist ein gutes Beispiel für Fehlplanung. Kaisermühlen ist wunderbar gelegen zwischen Donau und Alter Donau Erholungsgebiet, Badeplatz. Es gibt alle Potentiale, die Stadt an die Donau, den großen Fluss zu rücken. Was ist hier alles falsch gemacht worden? Innerhalb dieser neuen Architektur gibt es nur Plätze, die total öd und leer sind, der Wind pfeift durch.

Schafhausen: Die Vermutung liegt nahe, das Ähnliches wieder passiert.

Früher gab es einen Nachtflohmarkt im Turm von der Post. Der ist weg. Wie sehen Sie den Hauptbahnhof historisch? Das schwere Dach, mit den drei Blitzen Richtung Arsenal, der Bahnhof wurde ja als Soldatenbahnhof gegründet…

Schafhausen: Man  kann Urbanität nicht bis ins letzte Detail planen, aber Stadtplanung kann die Möglichkeiten bieten, dass sich etwas entwickelt. Durch freie Flächen, durch eine kluge Auswahl, auch an verschiedenen Investoren.

Köb: Ich zweifle sehr, dass es gelingen wird, mit der Kunstsammlung der „Erste Bank“, dem 21er Haus und dem Arsenal einen effektiven neuen Kunst-Cluster zu schaffen.

Schafhausen: Ich finde es schade, dass das Wien Museum keine Rolle mehr spielt, das hätte sehr viel Sinn gemacht. Es wäre durchaus eine politische Aufgabe, stadtplanerische Visionen zu entwickeln, Gebiete anders zu positionieren und den Bürgern zu vermitteln. Es geht ja auch darum, dass künftige Stadtbewohner solche tollen, neuen Gebiete zur Auseinandersetzung haben. Die Stadt wird durch die anhaltende  Migration sowieso eine ganz andere Stadt sein, in zehn, zwanzig Jahren.

Köb: Mich hat neulich fasziniert, wie die U-Bahn zur Seestadt Aspern das besiedelte Gebiet verlässt und in einer großen Kurve auf die Wiese fährt, am Horizont stehen die Kräne. Das  hat fast chinesische Dimensionen (lacht), eine Stadt am See für 20.000 Einwohner auf die grüne Wiese zu stellen.

Schafhausen: Albert Speer, das ist nicht DER Albert Speer, sondern der Sohn, baute für 25.000 Leute in der Nähe von Shanghai eine Stadt, die von den potentiellen Bewohnern nicht genutzt wird. Die Chinesen wollen nicht hinziehen, weil die Stadt nichts offeriert. Nur Versprechungen, aber man kann eigentlich nichts machen – es gibt keine Urbanität.

Herr Köb, Sie haben doch früher von den unterirdischen 3000 m2 im Künstlerhaus-Keller geschwärmt? War das eigentlich der Grund, warum Sie gehen mussten?

Köb: Wenn ich ganz ehrlich bin: Ich habe einfach ein bisschen Aktionismus gemacht. Um ins Bewusstsein zu bringen, dass das Museum Moderner Kunst für seine Sammlung keinerlei Entwicklungsmöglichkeiten hat.

Schafhausen: Warum werden nicht einfach Think Tanks gegründet, in die auch Künstler, Kulturschaffende, Wissenschaftler einbezogen werden? Der Reichtum des Heeresgeschichtlichen Museums müsste beispielsweise wirklich anders kontextualisiert werden. Man könnte das perfekt fortschreiben in den ehemaligen Jugoslawienkriegen. Es ist überraschend, wie populär das HGM ist, aber bei den falschen Leuten.

Köb: Da verlangen Sie ja Kulturpolitik! Wir haben immer noch kein Haus der Geschichte, sondern diese Aufgaben sind undefiniert beziehungsweise auf viele Institutionen verteilt. Ich finde es außerdem katastrophal, dass die Sammlungstätigkeit unserer sehr gut bestallten Museen fast schon zum Erliegen gekommen ist. Dass das Museum Essl in einem Jahr mehr an Kunst kauft als alle Bundesmuseen zusammen, ist ein Skandal.

Schafhausen: Was bedeutet Stadt überhaupt? Österreich ist so wohlhabend und hat so viel Potenzial. Wien wächst. Die Stadt könnte wieder ein  Modell für Europa sein und sollte sich nicht permanent selbst musealisieren.

Nur bestimmte Teile werden musealisiert, man denke an das Sissy Museum…

Schafhausen (schon im Aufstehen): Es werden auch andere städtische Räume musealisiert. Das Museumsquartier (lacht). Das geht ganz schnell….

 

Erschienen im Augustin 19. 2. – 4. 3. 2014

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