Autorenarchiv
Sauls Leuchtkasten – Ein Nachruf auf Saul Leiter
Der Fotograf, der als erster die künstlerische Farbfotografie entdeckte und mit den Farben des Lebens Schatten und Silhouetten malte, ist tot. Saul Leiter wandert nicht mehr jeden Tag im New Yorker East Village durch die Straßen, auf der Suche nach „Bruchstücken von Erinnerungen“.
„Ich mag es, wenn man nicht sicher ist, was man sieht“, sagte der New Yorker Fotograf Saul Leiter einmal. „Wenn man nicht weiss, warum der Fotograf ein Bild gemacht hat und wir nicht wissen, warum wir es anschauen, so entdecken wir plötzlich, dass wir mit dem Sehen beginnen. Diese Verwirrung mag ich.“ Wenn man 2012 aus der großen Saul Leiter-Ausstellung im Wiener Kunsthaus mit seinem unebenen Boden ins Schneetreiben heraus kam, merkte man, was Leiter meinte, seine Fotos wirken nach, man schaut anders und sieht plötzlich überall „coloured pictures“. Fahrräder unter Schneehauben, das schräge Licht eines Scheinwerfers – man klickt plötzlich selber Leiter-Fotos im Kopf.
Ein guter Schlepper ist achtsam
Fall Genner: Sieg des Flüchtlingshelfers gegen die Staatsanwältin. Einen Tag vor Prozessbeginn stellte der Oberstaatsanwalt das Verfahren gegen den Flüchtlingsunterstützer Michael Genner ein. Es drohten zwei Jahre Haft wegen „Gutheißung einer Straftat“. Die 20.000 Toten an den EU-Außengrenzen wären Mordopfer, meint Michael Genner, und in Kriegssprache: „Wir stehen an einer kleinen Stelle der Front“. Gerade starben in Deutschland eine Flüchtlingsfrau und zwei Kinder nach einem Brandanschlag auf ein Heim.
„Das ist deine Schuld, Michael Genner“, meint ein iranischer Flüchtling augenzwinkernd am Ende der Veranstaltung zum Thema „Schlepperei und Fluchthilfe“ im Republikanischen Klub, „du trägst die Schuld, dass ich zu Hause in Wien vier Kinder sitzen habe, die mich inzwischen über ihre Kinderrechte belehren.“ Der politische Student wartete drei Jahre auf Asyl, sieben Stunden dauerte sein Asyl-Verhör. „Du sollst das aushalten, denn du bist auf dem richtigen Weg“, sagte Genner. Als der von ihm unterstützte Iraner dann gleich direkt in der Verhandlung Asyl erhielt, war er völlig verwirrt – und der sich sonst so souverän gebende Genner fand sein geparktes Auto nicht mehr.
Köb und Schafhausen: Urbanität braucht Brachland
Stadtentwicklungs-Flächen und Kunst – am Beispiel Hauptbahnhof. Der eine fliegt gerade nach Mexiko, der andere eröffnet die Ausstellung „Das Wunder des Lebens“: Die beiden Museumsdirektoren Edelbert Köb (Ex-MUMOK) und Nicolaus Schafhausen (Kunsthalle Wien) im Interview über Wiener Stadtplanung und was Museumsdirektor_innen so alles im öffentlichen Raum suchen würden. Köb: „Da verlangen Sie ja Kulturpolitik!“
„Ich kenne sehr viel arme Kinder!“
Muttersprachliches Kindertheater.
„Wo ist meine Frau? Schläft sie noch?“ „Warum schreist du so?“ „Nur ich muss in diesem Haus arbeiten!“ „Warum streitet ihr immer? Ihr müsst nicht streiten, meine liebe Schwiegertochter.“ Nach jedem Satz folgt gleich die Übersetzung auf Romanes bzw. in andere Sprachen – live auf der Bühne. Die Kinder der Volksschule Johnstraße lernen so einiges im Muttersprachen-Unterricht, z. B. Simultandolmetsch. Die „liebe Schwiegertochter“, kommt noch mehrmals vor – sehr pädagogisch das Stück. Die Erwachsenen lachen. Sieben Reihen voller Eltern und Handykameras, vorne die Kinder aufgeregt auf blauen Turnmatten. Kleine Sonnen picken auf den Fenstern des Turnsaales.
„Wir sahen die Zeichen an der Wand“
Buch eines Kämpfers und Palästina-Flüchtlings erschienen.
„Meine Mutter hatte ein gutes Herz“, schreibt Karl Pfeiffer über seine Kindheit in Baden bei Wien. „Nie hat sie einen ‚Schnorrer’ – die meisten kamen aus Polen und waren orthodox – abgewiesen.“ Die flotte, schwungvolle Energie seines Buches „Einmal Palästina und zurück. Ein jüdischer Lebensweg“, die der 85-jährige Journalist Pfeifer auch selber ausstrahlt, wenn man ihn im „Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes“ trifft, erfüllt einen mit Tatendrang. Gleichzeitig fragt man sich, ob es die schlimmen Erlebnisse sind, die ihm wie ein unsichtbarer Propeller bis heute so viel Antriebskraft verleihen.